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In den letzten Jahren sind wir in der Weihnachtszeit zu Skitouren ins mittlere böhmische Erzgebirge in die Gegend um Bozi-Dar gleich hinter dem Fichtelberg aufgebrochen und hatten stets ausreichend Schnee unter den Kufen, ja zumeist auch noch einen herrlichen Sonnenschein dazu.

 

bahn und piste

 

Foto-Strecke

Schneesicheres Erzgebirge – Fotos: Tom Sehrer




Denn die Hochebene um Bozi Dar liegt auf einer Höhe von durchschnittlich 900 Metern und daher klimatisch so (un)günstig, dass es schon erstaunlich ist, dass überhaupt Menschen hier wohnen. Dennoch: die Infrastruktur ist hervorragend: es gibt Läden, Gaststätten, viele Orte haben einen Bahnanschluss, der auch von deutscher Seite bequem zu erreichen ist und günstige Übernachtungsmöglichkeiten in reichlicher Zahl. Im Winter wartet ein ausgedehntes Netz an Skiwanderloipen darauf erkundet zu werden. Die größte davon ist die Erzgebirgs-Skimagistrale , die von weiteren kleineren Loipen ergänzt wird. Besonders reizvoll dabei ist, dass man von Dorf zu Dorf wandern und sich so auch von Gaststätte zu Gaststätte hangeln kann. Vielerorts gibt es mehrsprachige Infotafeln, welche die Geschichte der einzelnen Orte aufzeigen und anhand von historischen Fotos den Vergleich mit der heutigen Situation möglich machen. So erfährt man in Abertamy, dass dieser Ort bis zum zweiten Weltkrieg der größte Lederhandschuhproduzent Europas war. Bleibt man in dem Bereich der Orte Bozi Dar, Abertamy, Pernik, Horni Blatna, Przebus, dem nicht mehr vorhandenen Jeleni (wo nur noch zwei Häuser stehen – eine davon eine Gaststätte) und etwas tiefer Potucky, so wandert man auf einer Hochebene, die ohne große Steigungen und zudem sehr schneesicher ist. Die Grenze zur deutsche Seite kann seit jederzeit und ohne Kontrollen überschritten werden. Für die Übernachtung empfehle ich einen der Orte mit Bahnanschluss – Pernik, Horni Blatna. Natürlich kann man auch etwas südlicher in Novy Hamry, Neideck, Kraslice oder Jachymov übernachten – aber diese Orte sind bei weitem nicht so schneesicher und damit nicht so direkt an der Loipe.

Die Skipisten, von denen fast jeder Ort eine hat, sind etwas für Anfänger, insbesondere für Kinder. Es gibt genügend Möglichkeiten Ski auszuleihen. Auch das neben dem Fichtelberg anspruchsvollste alpine Skigebiet des Erzgebirges liegt gleich neben Bozi Dar: der Klinovec (Keilberg) mit 1244 m der höchste Berg. Neben zwei blauen, gibt es mehrere rote und eine schwarze Piste. Ein Höhepunkt ist die rote Piste am Südhang in Richtung Jachymov, die allerdings nicht immer genügend Schnee hat. Deren Schneise ist schmal und zum vertikalen Gefälle kommt teilweise noch ein horizontales hinzu. Sie schraubt sich den Berg hinunter und ist zudem ziemlich steil. Hinzu kommt, dass der die Piste bedienende Einzelsessellift mit Skiträger und Dach ein wahres Museumsstück ist. Seitdem ich denken kann, gibt es diesen Lift, der wahrscheinlich aus den frühen 70ern stammt. Das Ein- und Aussteigen und das fachgerechte Ablegen der Ski auf der Halterung ist nur mit Hilfe des engagierten Personals möglich. Ein wahrer Ausflug in die Geschichte des alpinen Skisports!

Für einen Ausflug empfiehlt sich Karlovy Vary (Karlsbad). Die Altstadt aus den Gründerjahren mit den hoch aufstrebenden Fassaden, in der in den Nachwendejahren vielerorts der Putz bröckelte, ist inzwischen wieder todschick. Historische Fiaker dienen als Taxis, die Kutscher tragen Zylinder und die Straßen sind fest in russischer Hand: hohe Pelz,- Marken- und Schmuckdichte. Aber die Hauptattraktion sind die Thermalquellen, die mitten in der Stadt in historischen Pavillons aus kleinen Brunnen ins Freie fließen. Jeder kann sich mit einem Becher oder den vor Ort erhältlichen Trinkkannen selbst bedienen. Das Thermalwasser kommt in verschiedenen Temperaturen aus den Hähnen von warm bis 72° heiß und schmeckt auch heiß am Besten. Den Höhepunkt der Prachtstraße bildet ein Gebäude aus Beton und Stahl von 1974, welches den V?ídlo-Sprudel, einen heißen, direkt aus der Erde kommenden Geysir umrahmt. Ein weiteres Prachtstück sozialistischer Architektur ist das hoch über der Stadt an den Felsen betonierte Freibad, in dem aufgrund des wohltemperierten Wassers auch im Winter gebadet werden kann.

Übrigens, auch im Sommer ist das Gebiet eine Reise wert – zu bewundern sind seltene Pflanzen und überhaupt die tundrenhafte Vegetation, die sehr an Skandinavische Landschaften erinnert. Mit Wanderstock oder Fahrrad ist man dann am besten ausgerüstet.

 

 

Geschichte der Region:

Ursache der einstigen Besiedelung des Gebiets wie auch des gesamten Erzgebirges waren die reichen Silber- und Zinnerzvorkommen, die hier ab dem 16. Jahrhundert abgebaut wurden. (In den niederen Lagen des Erzgebirges begann der Bergbau schon im 12. Jahrhundert. Als sich dort die Vorkommen erschöpften, wurde dann auch der unwirtliche Erzgebirgskamm erschlossen.) Dies führte zu einem kleinen Wohlstand des Gebietes – sichtbar heute noch an den relativ großen Kirchen. Die Vorräte erschöpften sich aber relativ bald oder mussten in immer größerer Tiefe abgebaut werden, was technisch immer aufwändiger und damit unwirtschaftlicher wurde. Pestepidemien zogen übers Land, Kriege und Hungersnöte vernichteten das Erarbeitete. Trotzdem konnte über die Jahrhunderte eine dichte Bevölkerungsstruktur erhalten werden, da die Menschen sich auf neue Beschäftigungszweige – genannt sei das Spielzeug- und Textilhandwerk, die Farbherstellung – ausrichteten und die Hoffnung auf den Bergbau nie aufgaben. Diese wurde in kleineren Schüben auch immer wieder genährt, erwähnt sei hierbei nur der durch die Sowjetunion betriebene Uranabbau nach 1945. Auf der tschechischen Seite des Erzgebirges gab es schließlich einen Bruch in der Besiedlungsgeschichte, der seine Auswirkungen bis heute zeigt und die Gegend so besonders prägt. Mit den Beschluss der tschechischen Regierung und bestätigt durch das Potsdamer Abkommen wurde 1945 die Ausweisung der deutschsprachigen Bevölkerung, welche den Gebirgsraum zu einem großen Prozentsatz besiedelte, beschlossen. So wurden bis 1946 die meisten Dörfer – bis auf wenige Ausnahmen, wo man die Bevölkerung als dringend Arbeitskräfte benötigte – entsiedelt. Die geplante Neuansiedelung von Bürgern tschechischer Herkunft misslang, jedenfalls kurzfristig. Einige Dörfer verschwanden gänzlich von der Landkarte – nur Baumgruppen, Wiesen und ein wenige Fundamentreste weisen heute noch darauf hin. Trotzdem ist die Region kein Niemandsland geworden, denn die einstige Besiedelung war von enormer Dichte. Inzwischen hat sich die Gegend wieder stark belebt, viele der Häuser sind bewohnt oder dienen als Wochenendunterkunft.